1. Mai

Wahlkampfstand

Auf der Festwiese in Nienburg fand dieses Jahr wieder die traditionelle Kundgebung zum Tag der Arbeit des DGB statt, bei der ich eine Rede halten durfte. Dabei ging es um eines meiner Herzensthemen: die psychische Gesundheit von Arbeitnehmer*innen. Denn 20 % der Beschäftigten erhalten im Laufe ihres Berufslebens die Diagnose Depression. Noch alarmierender ist dabei, dass sogar 15 % der Mitarbeitenden bereits einen Suizid oder Suizidversuch im Kolleg*innenkreis miterleben mussten.

Wir blicken mittlerweile zurück auf zwei Jahre Ausnahmezustand „Pandemie“. Zwei Jahre Corona-Politik haben Spuren sowohl bei unseren Arbeitnehmer*innen als auch bei unserer Arbeitgeber*innen hinterlassen. Die Belastbarkeit aller - und vor allem die der berufstätigen Eltern - wurde hart auf die Probe gestellt. Finanzielle Sorgen, familiäre Ausnahmezustände, steigender Leistungsdruck bis hin zu Existenzängsten. Die Corona-Maßnahmen hatten große und unschätzbare Auswirkungen auf die mentale Gesundheit unserer Arbeitswelt. Seit Beginn der Pandemie sind die Anfragen in psychotherapeutischen Praxen um 40 % gestiegen. Und trotzdem ist psychische Gesundheit noch immer ein Tabu-Thema. Ein Thema, das noch immer belächelt wird. "Stell dich nicht so an!" oder "Jeder hat doch mal einen schlechten Tag!" Nur wenige Betriebe nehmen die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden ernst - und dass obwohl Belastungen und Konflikte am Arbeitsplatz von Betroffenen oft mit als Ursache der Erkrankung gesehen werden. Betroffene verheimlichen meist ihre Erkrankung, weil sie Verurteilungen, gravierende Einschnitte in die Karriere bis hin zur Kündigung befürchten.

Wir brauchen daher dringend die nötige Sensibilisierung für Führungskräfte und am Arbeitsplatz. Wir brauchen Konzepte zur Begegnung und zum Umgang mit Menschen in psychischen Krisen am Arbeitsplatz. Außerdem brauchen wir Präventionsangebote, die gezielt die psychische und mentale Gesundheit fördern. In die psychische und mentale Gesundheit zu investieren, erhöht nachweislich die Motivation und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten und führt somit zu geringeren Krankenständen, mehr Produktivität und höherer Wettbewerbsfähigkeit. Die psychischen Erkrankungen müssen endlich vernünftig in den Blick genommen werden und den Stellenwert bekommen, den sie verdienen. Jetzt nach der Pandemie mehr denn je.